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Weltklasse-Klischees

Männertreu (ARD) sei Weltklasse, hatte die SZ versprochen. Die Realität am letzten Juli-Mittwoch um 20.15 Uhr: Klischee, Klischee, Klischee.

Von Michael Meyen

House of Cards, Borgen und überhaupt: Wer Männertreu sehe, glaube kaum, dass das ein deutscher Fernsehfilm sei. „Ein Sittengemälde und eine Gesellschaftskritik, so fein, fesselnd und brutal ehrlich“, jubelte Ralf Wiegand in der Süddeutschen Zeitung (30. Juli, Medienseite). Was eben herauskomme, „wenn die Besten etwas zusammen machen“ – von Thea Dorn (Drehbuch) über Hermine Huntgeburth (Regie) bis zu Matthias Brandt und Suzanne von Borsody.

Die Schauspieler sind tatsächlich nicht schlecht. Aber sonst? Sonst mag man kaum glauben, was einem Das Erste da an einem Sommermittwoch zur besten Sendezeit auftischt. Die Story: Brandt, Herausgeber einer Zeitung in Frankfurt am Main, soll Bundespräsident werden. Der Herzenskandidat der Kanzlerin. Ein Journalist als Bundespräsident. In Deutschland. Okay. Dass dieser Journalist, Ende 50, etwas mit einer Volontärin hat: geschenkt. Dass er meint, jeder Mann in seinem Alter beneide ihn: seine Sache. Das Drehbuch hört damit aber nicht auf. Es lässt den armen Brandt auf die TV-Talkfrau springen, die ihn gerade 60 Minuten live interviewt hat, dichtet ihm eine Affäre mit seiner Schwiegertochter an und lässt ihn die Volontärin abblitzen, als seine Kandidatur öffentlich wird. Ein notgeiler Medienpapst, der die Spielregeln seiner eigenen Branche nicht kennt.

Der Rest ist nicht besser: ein Sohn (Maxim Mehmet), der seinen Vater hasst. Warum, weiß man nicht. Weil er die Mutter betrügt? Weil er mehr Erfolg hat? Sohn läuft jedenfalls bei jeder Gelegenheit wütend weg. Der PR-Krisenmanager hat schmieriges Haar, und kaum ist Brandt von Kandidatur und Herausgeberschaft zurückgetreten, macht er sich an die neue Gärtnerin ran, gütig beobachtet von seiner Frau, mit der er gerade im Bett war. Ein Sittengemälde, eine Gesellschaftskritik. Welche Sitten, lieber Herr Wiegand, welche Gesellschaft?

Über Michael Meyen

Professor für Kommunikationswissenschaft an der LMU

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