Die erste deutsche Ausgabe von WIRED ist so gar nicht weird. Infografiken, innovative Ideen, ein bisschen Farbe und Technik in der light-Variante lassen diese Zeitschrift zum Geheimtipp werden.
Frauen und Technik…
Dieser Spruch ist allseits bekannt und auch gut benutzt, vielleicht sogar schon etwas abgenutzt, würde ich meinen. Spätestens an der Supermarktkasse schrie der Blick der männlichen Bevölkerung genau danach, als ich stolze Besitzerin der ersten „richtigen“ Ausgabe der deutschsprachigen WIRED wurde. Am 21. Oktober 2014 beginnt hierzulande die regelmäßige, hippe Versorgung mit Wissen über neue Technologien, Wirtschaft und Kultur. Das Magazin schnupperte seit 2011 bereits fünfmal die Luft des deutschen Zeitschriftenmarkts. Jedoch erhielt man WIRED nur im Doppelpack mit dem Männermagazin G.Q. Das ist Gott sei Dank lediglich eine Partnerschaft auf Zeit gewesen. Ab jetzt ist die deutsche WIRED solo unterwegs und kann sich vor Verehrern kaum retten: „Die Eingangsfrage jedenfalls, wie eine deutsche Wired nun eigentlich aussehen, klingen und sich anfühlen muss, um nicht zu scheitern, ist beantwortet: Wie dieses Heft“, schreibt DIE ZEIT.
Und wahrhaftig, für 4,50 € erhält man ein Meisterwerk an grafischer Gestaltung, gepaart mit hochwertigem Content. WIRED gleicht einem aufwendig gestalteten Bildband, welcher weit mehr sein soll als die Bibel der Nerds. Und das Konzept geht auf. Jedenfalls bei dieser Ausgabe. Zwar beanspruchen Roboter und der hybridangetriebene Sportflitzer i8 von BMW Druckerschwärze auf dem Papier, diese schwere Kost technischer Zusammenhänge gewinnt jedoch durch die schöne, einfache Verpackung an Leichtigkeit und erschließt sich schnell.
Den Kern dieser ersten „richtigen“ Ausgabe von WIRED in Deutschland stellen gesellschaftliche Probleme im digitalen Zeitalter dar. Mit der Frage „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele Magabyte?“ übersetzt Joachim Hentschel in seinem Leitartikel den Besteller „Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“ von Richard David Precht in die Gegenwart. Ein pompöser Auftakt mit der Frage nach dem Innersten, das die (digitale) Welt zusammenhält.
Wollte man Mutmaßungen anstellen, könnte man sagen, dass dies als ein Versuch gewertet werden kann, die breite Masse zu erreichen. Auch mag der eingefleischte Technik-Fan von wissenschaftlichen, hoch-komplexen Sachverhalten vielleicht enttäuscht sein. Jedoch sei damit nicht gesagt, dass man Inhalte auf dem Niveau eines Kinderlexikons rezipieren kann. Frauen wie Männer kommen hier voll auf ihre Kosten. Besonders interessant sind die Nischenthemen – genial erklärt, ohne platt zu wirken. Und all jenen, die eine Schwäche für gut durchdachte Infografiken haben, sei gesagt: „Investiert euer Geld hier!“
Auch wenn noch nicht alles perfekt sein mag, ist dem Team von Nikolaus Röttger ein Magazin gelungen, das sich sehen lassen kann. Selbst der Chefredakteur spricht vom „Werkstatt-Gedanken“, wenn er WIRED betrachtet. Eine etwas höhere Frauenquote im nächsten Heft sowie ein übersichtlicheres Cover wären dabei schon einmal ein guter Anfang.
Mut zum Anderssein hat aus dieser Zeitschrift ein Beweisstück dafür gemacht, dass Technik nicht trocken oder gar langweilig sein muss. Und wenn ich das nächste Mal an der Kasse ungläubige Blicke ernte, weil ich mir dieses Magazin kaufe, dann denke ich einfach daran, was diese Menschen dank ihrer Vorurteile alles verpassen.
Klingt ja super, ist mir noch gar nicht im Zeitschriftenladen aufgefallen!
LG Tammy
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