Salvan Joachim – 28 Jahre jung und Volontär beim BR – über persönliche Ziele, Zukunftsängste und Tipps für Nachwuchsjournalisten.
Von Antonia Brunet
Berlin calling! Radio total für einen Bayern in der Hauptstadt: Salvan Joachim ist aktuell in Berlin und arbeitet einen Monat lang für den BR im Hauptstadtstudio. Dort erstellt er vor allem Beiträge für Bayern2 oder B5 – und findet nebenbei Zeit für ein Interview mit Munich Media Watch in der Heimat.
Wann war Dir klar, dass Du Journalist werden möchtest?
In der 3. Klasse haben wir ein Hörspiel gemacht und ich war der Sportreporter. Es war das erste Mal, dass ich so etwas gemacht habe. Ich fand das sehr cool. In der 4. Klasse habe ich dann Sportartikel aus der Süddeutschen Zeitung mit der Hand abgeschrieben, kopiert und für 10 Pfennig in der Klasse verkauft. Das waren meine ersten Berührungen. Aber ich habe mich ehrlich gesagt lange nicht getraut, eigene journalistische Beiträge zu machen, weil ich ziemlich großen Respekt hatte: Da steht der eigene Name unter dem Artikel, alles soll korrekt und dann natürlich auch richtig gut sein!
Als der Wunsch, Journalist zu werden, konkreter wurde – wie hast Du darauf hin gearbeitet?
Das Studium alleine hätte mir nichts geholfen, deshalb habe ich journalistische Praktika gemacht. Ich habe viele Online-Artikel geschrieben, wollte dann aber doch noch Radio-Erfahrung sammeln und bin zu M94.5. Dort habe ich das Wichtigste über das Radiomachen gelernt und später beim BR weiter vertieft. Und es gehört auch ein bisschen Glück dazu: Ich habe beim BR in der Online-Redaktion ein Praktikum gemacht; in meiner letzten Woche ist dort einer gegangen und ich war drin. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Vor Deinem Volontariat hast Du ja Politikwissenschaft, Neuere deutsche Literatur und Philosophie studiert. Was haben denn Deine Volontär-Kollegen beim BR studiert?
Was man am besten studiert, um Journalist zu werden, ist eine never ending story: Drei unserer Volontäre haben in Eichstätt Journalistik studiert. Dann haben wir noch zwei Lehrämtler – einer davon mit Theologie. Das ist praktisch, weil der Papst in den Zuständigkeitsbereich des BR fällt. Im Jahrgang über und unter mir sind auch Mediziner dabei. Mit einem Fachstudium hat man einfach viel Hintergrundwissen zu bestimmten Themen. Das ZDF hat jetzt auch erstmals Volontariate ausgeschrieben und ausdrücklich Journalistikstudenten und Geisteswissenschaftler ausgeschlossen. Gerade werden viele Studenten aus der Wissenschaft gesucht, die sich dann super mit Atomphysik auskennen. Aber einen Masterplan gibt es nicht!
Wenn Du es Dir aussuchen könntest: Für welches Medium würdest Du gerne einmal arbeiten?
Für mich stellt sich die Frage so gerade nicht. Alle Medien können sich im Idealfall online bestens ergänzen, um eine Geschichte so ansprechend wie möglich zu erzählen. Sehr schwierig natürlich, daran basteln alle Medienhäuser. Aber ich würde gerne mal so einen multimedialen Beitrag veröffentlichen, bei dem die Leute dann sagen: „Mensch, was für eine geile Sache – und das beim BR“!
Sind die öffentlich-rechtlichen Medien wie der BR cool?
Beim BR habe ich die Möglichkeit, ernsthafte journalistische Beiträge zu machen, ohne dass ich mich anbiedern und dauernd auf die Quote achten muss! Ich muss nicht die ganze Zeit Chartmusik drunter legen und ein Thema möglichst hip machen, damit es gesendet wird. Das finde ich wichtig. Außerdem habe ich mit dem Volontariat das Glück, dass ich schon jetzt einen besseren Status mit mehr Sicherheiten habe, als wenn ich nur mein Studium hätte und hier und da kleinere Beiträge für die Zeitung schreiben würde. Nicht ganz unwichtig, für mich zumindest. Der BR ist aber natürlich ein großes Haus, da muss man manchmal viele bürokratische Hürden überwinden, bevor man mit einem Projekt loslegen kann.
Fühlt man sich als Volontär des BR elitär?
Also elitär fühle ich mich nicht. Aber ich bin schon dankbar für meine Ausbildung. Ich komme hier einfach an Flecken und Möglichkeiten, die ich sonst nicht hätte: Es kann nicht jeder hier aus dem Hauptstadtstudio berichten, nicht jeder bekommt Fortbildungen, die sonst als freier Journalist unglaublich teuer wären. In mich wird viel investiert. Und das ist schon ein Privileg.
Auf Deiner Homepage sieht man, dass Du sehr breit aufgestellt bist mit Schreiben, Fotografieren, Videos schneiden. Muss man heutzutage als Journalist von allem etwas können oder sich eine Nische suchen und darauf spezialisieren?
Also für mich war es auf jeden Fall ein Vorteil, dass ich Lust auf Technik habe: Ich wollte fotografieren lernen oder mich mal ein paar Tage einsperren, um mir ein Schnittprogramm zu erarbeiten. Ich kann gerade bei Online-Beiträgen sehr gut einschätzen, wie viel Aufwand etwas macht und wie lange ich dafür brauchen werde. Wer selbst nie geschnitten oder gefilmt hat, hat einfach ein geringeres Gespür dafür. Und weil es ja doch immer schnell gehen muss, ist das sinnvoll. Deshalb gibt es auch einen Bedarf an technikaffinen Redakteuren.
Wie sieht das Auswahlverfahren für ein Volontariat beim BR aus?
Man muss eine Hospitanz beim BR gemacht haben. Danach musste ich eine Reportage und einen kreativen Lebenslauf schreiben. Dann kam ein Sprechtest, bei dem man einen fremden und einen eigenen Beitrag vorträgt. Bei der Schreibprobe schaut man einen Film oder hört sich ein Radiostück an und schreibt in einer Stunde eine Kritik. Es gibt noch einen Allgemeinwissenstest. Nachdem ich den auch bestanden hatte, war die letzte Hürde das persönliche Auswahlgespräch mit acht Chefs beim BR.
Willst Du nach Deinem Volontariat in einer Festanstellung bleiben oder als freier Journalist arbeiten?
Ich freue mich erst einmal auf die freie Tätigkeit: Gerade für den Anfang finde ich es spannend, flexibel ohne feste Arbeitszeiten und von Projekt zu Projekt zu leben.
Hast Du dann nicht gleichzeitig auch Zukunftsängste?
Klar, aber ich versuche es sportlich zu nehmen! Momentan bin ich guter Dinge, dass ich in einem Dreivierteljahr nach meinem Volontariat gut vernetzt bin und das dann irgendwie mache. Aber ja, manchmal mache ich mir schon Gedanken; man weiß ja letztendlich nie genau, was der eigene Job dann abwirft und wie viel bleibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Sicht auch mal ändert und ich an den Punkt komme, wo ich gerne ein festes Einkommen habe.
Wie siehst Du die Zukunft des Journalismus: Wird er auch in der heutigen Zeit noch gebraucht?
Ich glaube, die Nachfrage nach Journalismus ist auf jeden Fall da – die Leute schreien danach, gute „Erklärstücke“ zu bekommen. Das sieht man ja auch an den Zeitungen. Die überarbeitete große Wochenendausgabe der SZ oder an die ZEIT, die in den letzten Jahren ihre Auflage noch gesteigert hat. Es werden also auch lange Artikel gelesen. Man sagt ja immer, dass die Leute nur noch ihre Dreizeiler auf dem Smartphone lesen. Das stimmt so allerdings nicht, beziehungsweise es ist unvollständig: Diese Aussage gilt für den Alltag, beispielsweise beim Busfahren. Aber das Bedürfnis, etwas erklärt zu bekommen und einen Hintergrund zu einem Thema zu erhalten, ist gleich geblieben – wenn nicht sogar gewachsen.
Wie beurteilst Du die aktuellen Entwicklungen in den Redaktionen, etwa den enormen Stellenabbau?
Die Nachrichten über Einsparungen wie zuletzt bei Brigitte machen mich schon sprachlos, weil es die Arbeit für einen Journalisten natürlich erschwert. Ich glaube auch, dass es sich viele nicht mehr leisten können, Journalist zu sein; man hätte dann das Problem, dass nur Menschen mit Geld im Hintergrund oder aus einer reicheren Gesellschaftsschicht Journalist werden können. Und das Gegenteil wäre wesentlich
besser! Die Grundproblematik ist einfach, dass noch immer ungeklärt ist, wie man im Internet mit Journalismus Geld verdienen kann. Klar greifen mittlerweile viele Leute auf Blogs zu – was auch super ist, weil es die Meinungsvielfalt steigert – aber der Bedarf an ausgebildeten Journalisten ist trotzdem sehr hoch. Nur zahlt im Moment eben noch keiner für ihre Inhalte.
Was ist Dein Tipp für alle Nachwuchsjournalisten?
So früh wie möglich schreiben, Praktika machen und selber produzieren. Ich glaube, man darf sich nicht einschüchtern lassen und sollte in Redaktionen darauf bestehen, dass die Leute einem etwas beibringen. Man muss sich überwinden und gezielt nachfragen. „Hättest Du es anders gemacht, lieber Redakteur? Warum findest Du das schlecht?“ Und sich nicht damit zufrieden geben, wenn die Leute sagen „Ja super, so drucken oder senden wir es“. Man sollte versuchen, die Leute zu einem Feedback zu zwingen. Journalismus ist nun mal ein schnelles Alltagsgeschäft und manchmal bleibt da auch die Korrektur auf der Strecke. Und das sollte man in der Phase, in der man Anfänger ist und noch viel lernt, auch einfordern.