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Warum heute noch Journalist werden?

Schlechte Bezahlung, schlechter Ruf, schlechte Zukunftsaussichten: So wird der Beruf des Journalisten in der heutigen Gesellschaft oft beschrieben. Tot sei er, sagen viele. Und trotzdem schreiben sich jedes Jahr tausende junge Menschen für Studiengänge wie Kommunikationswissenschaft, Journalismus oder Angewandte Medien ein. Was bewegt sie dazu? Wissen sie überhaupt, was sie tun, oder studieren sie nur „irgendwas mit Medien“? Ich habe mich an die Quelle begeben und nachgefragt: „Wieso willst DU heute noch Journalist werden?“

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Von Julia Hanigk


Roland Maier (25, Studiengang Journalismus): „Die Demokratie braucht Kontrolle und das wird  durch die Medien erreicht, die als die vierte Gewalt im Staat fungieren. Ein Journalist hat also die Aufgabe, der Bevölkerung die Informationen zu liefern, die sie als Grundlage für öffentliche Diskussionen und Entscheidungen benötigt und kann dadurch indirekt auch das staatliche Handeln kontrollieren. Als Journalist liefert man Hintergründe, vermittelt Wissen, klärt Sachbestände auf und berichtet von überall aus der Welt, was eine Einordnung des Aktuellen in das Weltgeschehen ermöglicht. Aber ich persönlich liebe es auch, die Dinge mit den richtigen Formulierungen zum Leben zu erwecken — man kann so komplizierte Sachverhalte möglichst flüssig und verständlich für eine breitere Masse darstellen. Ich habe große Freude an der Arbeit mit Menschen und bin ein Teamplayer, der mittels der richtigen Kommunikation die wichtigsten Informationen herausfiltern möchte. Natürlich steht man dabei oft unter Zeitdruck, vor allem, weil wichtige News immer schneller erfasst und umgesetzt werden müssen. Aber das und auch erschwerte Arbeitsbedingungen nehme ich in Kauf, damit ich das machen kann, was ich liebe.“

Ralf  Stroknew (23, Politikwissenschaft): „Ich wollte schon immer meinen Namen unter einem Artikel stehen sehen. Das hat sich nicht geändert. Die aktuelle Situation der Journalisten, die mit Stellenabbau und geringen Löhnen zu kämpfen haben, halte ich für ein Armutszeugnis der Gesellschaft. Es stehen einem doch so viele verschiedene Kommunikationsmittel zur Verfügung, sodass wir Journalisten als Gatekeeper gebraucht werden. Ich finde, dass dieser Beruf nicht veraltet ist, sondern immer noch hochmodern, da man stets mitten aus dem Geschehen heraus berichten muss, um die Bürger eines Landes über die Realität da draußen zu informieren.“

Daniel Neumann (22, Medieninformatik): „Durch das Internet hat jeder die Möglichkeit ein kleiner Journalist zu sein, ob das aber journalistisch korrekt ist oder irgendeinen tieferen Wert hat, sei dahingestellt. Es ist die Masse, die da siegt und die Möglichkeit, jederzeit sehr frei und einfach viele Nutzer erreichen zu können. Ein Journalist dagegen liefert qualitativ hochwertige Berichterstattung über aktuelle, vergangene oder zukünftige Themen dieser Zeit. Es geht darum, täglich Menschen zu erreichen, die das lesen werden und auf diese Informationen vertrauen. Journalismus ist ein kreativer und künstlerischer Beruf, bei dem man darauf achten muss, welche Wirkung die eigenen Worte haben und mit denen man zielgenau umgehen können muss, um die Informationen richtig unter die Menschen zu bringen. Dahinter steckt ein riesiger Ehrgeiz und Ansporn, der sich nicht nur auf das Geldverdienen bezieht.
Negativ beurteile ich, dass vieles immer noch nach dem Motto ‚Sex Sells‘ abläuft — man braucht Schlagzeilen, damit die Leute das Produkt kaufen. Man kann meist nicht nach dem gehen, was einem selbst Spaß macht. Oft wird gerade das, was man als ziemlich gelungenes Werk ansieht und in das man viel Arbeit gesteckt hat, nicht angenommen — das kann einen ziemlich runterziehen.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass ich das Verarbeiten und Verbreiten von Informationen mit dem Journalismus zum Beruf machen kann. Natürlich hat man Restriktionen und Auflagen, die man erfüllen muss, aber im Endeffekt ist es ein Beruf mit einem Lernprozess in allen Themenbereichen: Man lernt Leute genauso kennen wie man zu verschiedensten Themen Hintergrundwissen bekommt. Die Themen, die mir wichtig sind, die ich auch über die Zeit als besonders gesellschaftlich relevant erkannt habe, an den Mann zu bringen und das auf einer sehr breiten Plattform, das ist toll.“

Ani Makhashvili (20, Kommunikationswissenschaft): „Bei mir ist das auch wegen meiner Herkunft aus Georgien. Ich wollte schon immer Journalistin werden, weil ich immer diesen Mangel an Qualitätsjournalismus in Georgien bedauert habe: Bei uns sind die meisten Medien parteiisch geprägt. Es gibt immer zwei Richtungen: Die einen unterstützen die Regierung, die anderen die Opposition. Das hat mich immer gestört. Es gibt auch nur ein bis zwei Fernsehsender, die soziale und gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und ausgewogen darüber berichten. Ich möchte dabei mitwirken und in Zeitungen über solche Themen schreiben, über die sonst nur in einem parteipolitischen Kontext geredet wird. Ich möchte etwas ändern in der georgischen Medienlandschaft. Auch wenn immer mehr Zeitungen verschwinden, ist dieser Beruf meiner Meinung nach einer der wichtigsten für die Gesellschaft, der in das aktuelle Geschehen eingreifen und auf die ökonomischen und politischen Prozesse einwirken kann. Außerdem  brauchen wir bei unserem Informationsüberfluss den richtigen Vermittler, der alles selektiert — das steigert meines Erachtens nach das Ansehen der Rolle.
Einerseits will ich also den Qualitätsjournalismus in Georgien fördern und andererseits finde ich die Rolle des Journalisten für die gesellschaftliche Entwicklung und Bildung allgemein sehr wichtig und möchte daran teilnehmen. Ich finde, es stimmt total, was Luhmann gesagt hat: ‚Alles was wir wissen, wissen wir durch die Massenmedien‘ und deswegen KANN die Rolle des Journalisten gar nie an Bedeutung verlieren, da er IMMER der Vermittler zwischen Gesellschaft und politischer oder sozioökonomischer Realität sein wird. Außerdem: Je mehr Qualitätsjournalismus es gibt, desto weniger können die Bürger manipuliert werden und das ist besonders in Georgien ein großes Problem. Ich möchte das beruflich machen.“

Julian Hartwick (22, Politikwissenschaft): „Ich war schon früher bei der Schülerzeitung und habe da meine Leidenschaft für das Schreiben entdeckt. Ich bin sehr froh, dass mich mein Deutschlehrer weiter gefördert hat, auch in den oberen Jahrgangsstufen. Da wusste ich einfach: Das möchte ich machen. Am liebsten würde ich später direkt vom Ort des Geschehens berichten; das kann ich mir auch vor der Kamera in diesen vor-Ort-Berichterstattungen vorstellen. Ich will da sein, wo es kracht, da sein wo etwas passiert und den Leuten zeigen, was wirklich los ist. Ich möchte die Realität zeigen wie sie ist, ohne Filter, und sie für alle transparenter machen.“

Markus Sebek (26, Geschichte): „Ich finde, dass der Beruf des Journalisten einfach wahnsinnig spannend und vielseitig ist. Du weißt im Grunde nie, was am nächsten Tag auf dich zukommt — egal für welchen Bereich/welches Ressort du arbeitest. Die Lage kann sich sogar minütlich ändern. Das ist der eine Punkt, der diesen Job so faszinierend für mich macht. Zum anderen ist es eine Chance den Menschen etwas mitzugeben, respektive mitzuteilen; sie über Geschehnisse zu informieren, auch wenn sie vielleicht nicht konkret nach diesen Informationen gesucht haben und damit auch einen großen Anteil an ihrem Leben zu haben. Außerdem ist der Beruf des Journalisten auch einer, bei dem man mit Leuten in Kontakt kommt, Kontakte knüpfen kann und mit Menschen auf einer anderen Ebene redet, als das vielleicht jemand anderes tut.“

Tobias Suchanek (20, Kommunikationswissenschaft): „Ich betrachte das Ganze kritisch. Auf der einen Seite ist das ein wahnsinnig spannender Beruf, bei dem man kreativ arbeiten kann und sich selbst einbringen kann. Das macht nicht nur unheimlich Spaß, sondern treibt einen selbst auch immer weiter an, während man gleichzeitig einen Dienst für die Gesellschaft leistet. Als Journalist sieht man sich außerdem jeden Tag mit neuen Aufgaben konfrontiert, sodass es einem sicher eines nie wird: langweilig. Den klassisch-traditionellen Beruf des Zeitungsjournalisten kann ich mir nicht vorstellen, dafür aber durchaus neuere Formen wie im Bereich des Social Media- oder Online-Journalismus. Die Kehrseite des Ganzen sieht aber so aus: Die allgemeinen Jobaussichten sind schlecht, genauso wie meistens auch die Bezahlung. Das große Problem, das ich sehe ist, um es mit den Worten Richard Gutjahrs zu sagen, dass der Journalismus in den Medienhäusern ausstirbt. Man sollte an dieser Stelle auch folgenden Punkt ansprechen: Die Bezeichnung des Journalisten ist nicht geschützt — jeder kann sich so nennen! Es ist wirklich nicht einfach, in diesem Berufsfeld Fuß zu fassen und sich einen Namen zu machen. Aber trotzdem reizt es mich irgendwie, die Tätigkeit in den neuen Journalismus-Feldern.“

Thomas Moßburger (26, Master Kommunikationswissenschaft): „Es gibt mit Sicherheit Berufe, die leichter zugänglich, gesellschaftlich höher geschätzt (Stichwort Lügenpresse) und möglicherweise sogar besser bezahlt sind, als der des Journalisten. Trotzdem bleibt er auch 2016 für mich ein Traumberuf. Denn in keinem anderen Beruf bleibt man — ob man es will oder nicht — so konstant am Puls der Zeit und beschäftigt sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit ständig neuen Themen. Sei es mit dem Wandel der Gesellschaft, der Politik, der Technik, der Kultur oder dem eigenen Beruf. Die ständigen Veränderungen und die unvorhersehbaren News-Lagen machen den Beruf anstrengend und fordernd. Gleichzeitig machen sie ihn aber auch interessant und spannend. Langeweile und Routine gibt es so gut wie nie. Man berichtet über Dinge, über die man zunächst selbst vielleicht nicht viel weiß und wächst am Ende mit diesen Aufgaben. Und so geht man als Journalist jeden Abend zumindest mit einem kleinen bisschen mehr Wissen nach Hause, hat immer etwas zu erzählen. Und sei es manchmal nur, wie man eine Chipstüte ganz besonders effizient öffnen kann.“

Madalina Muresan (22, Kommunikationswissenschaft): „Ich denke Journalistin zu sein lohnt sich, weil man der Bevölkerung gesellschaftliche Probleme vermittelt und Lösungsvorschläge aufzeigt. Journalisten können uns auch bei Wahlentscheidungen helfen, indem sie uns die wichtigsten Vorgänge erklären und uns stets die neuesten politischen Entwicklungen darlegen. Als Journalistin würde ich die Leute auf die eine oder andere Weise auch beeinflussen können — man kann Veränderungen bewirken, was wirklich erstrebenswert ist. Gleichzeitig ist das ein harter Job, weil man ganz viel recherchieren und hart arbeiten muss. Gerade, weil man auch sehr viel mit Leuten sprechen muss und es nicht immer leicht ist jemanden zu finden, der bereit dazu ist oder über das nötigte Wissen verfügt. Viele haben dann einfach keine Lust oder Zeit — da ist es wichtig ständig Kontakte zu pflegen, was sehr zeitintensiv ist. Allgemein brauchen wir jeden Tag die Informationen, was in der Welt los ist. Wir müssen informiert sein und das schnell. Dies ist vor allem und in erster Linie möglich wegen der journalistischen Arbeit. Ich denke, dass daher die Zukunft des Journalismus im Bereich Social Media liegt, weswegen ich in diesem Sektor arbeiten wollen würde. Das macht mehr Sinn heutzutage.“

Aber nicht nur positive Stimmen waren zu hören. So manch einer hat dann doch eine ganz andere Sichtweise auf den Beruf des Journalisten:

Antonia Fahle (20, Kommunikationswissenschaft): „Ich will keine Journalistin werden, weil mich das Schreiben von Geschichten einfach nicht reizt. Journalismus ist eine brotlose Kunst, für die man die nötige Begeisterung braucht, aber die habe ich einfach nicht. Außerdem ist das Ansehen von Journalisten nicht besonders hoch und es ist immer häufiger von ‚Lügenpresse‘ oder Ähnlichem die Rede. Mit einem solchen schlechten Standing muss man dann die ganze Zeit umgehen. Also alles in allem nichts für mich.“

Nimmt man all diese Stimmen zusammen, bleibt festzustellen: Der Beruf des Journalisten ist nicht tot und wird wohl auch so lange nicht aussterben, wie es junge Menschen gibt, die darin ihre Passion finden. Das gern diskutierte Bild von jungen Menschen, die nur „irgendetwas mit Medien“ studieren möchten, bestätigt sich nicht, im Gegenteil: Die meisten Studenten wissen genau was sie wollen, was nicht, und auf was sie sich einlassen. Der Soziologe Niklas Luhmann erklärt mit seiner These, dass Journalismus alle anderen gesellschaftlichen Bereiche informiert und kontrolliert, letztlich sehr gut, dass freie Meinungen und unabhängige Journalisten konstitutiv für einen demokratischen Rechtsstaat sind. Richard Gutjahr, der alle Kanäle der sozialen Medien erfolgreich bedient, hat dabei genauso sein Publikum wie der festangestellte Zeitungsjournalist.
Der Journalismus hat sich gewandelt und das wird er weiter tun, entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel und den Ideen jeder neuen Generation, die ihn ausüben möchte. Der Journalist wird daher auch in Zukunft derjenige sein, der die richtigen Worte für das finden wird, was in der Welt passiert.

Über Julia Hanigk

Leseratte, Serienjunkie, Kinostammgast und die aktuellen News immer dabei - auf dem Smartphone oder unterm Arm. Vor mir ist nichts sicher!

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 13. Januar 2016 von in Nachgefragt und getaggt mit , , , , , , , .